1986 Plakat Biermann Seelengeld der Untergang der DDR

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Stasi-Akte als Gedächtnisstütze


Vater Dagobert Biermann, ein Jude und kommunistischer Widerstandskämpfer, in Auschwitz ermordet. 
Zuvor hatte er jahrelang unschuldig im Gefängnis gesessen.

„Also wuchs er auf mit dem Auftrag, die Menschheit zu retten, seinen Vater zu rächen und nebenbei den Kommunismus aufzubauen. So ging Biermann mit sechzehn Jahren zu Zeiten des Voksaufstands1953 nach Osten und wurde ein DDR-Bürger. Und das war das Beste, was ich in meinem ganzen Leben gemacht habe. Warum? Ich musste die Lektion lernen, im Vaterland aller Werktätigen, im Arbeiter- und Bauernparadies wirklich zu leben, und nicht nur als Revolutionstourist mal eben vorbeischnuppern. Und wenn ich das nicht gemacht hätte, wäre ich ja gar nicht der Biermann geworden.“

Die ganze Dramatik der deutschen Geschichte spiegelt sich, rückwirkend betrachtet, in Biermanns irrwitzigem Leben. Die Geschichte und auch die Kulturgeschichte Deutschlands. Das allein würde diese Autobiografie lesenswert machen. Hinzu kommt noch Biermanns wunderbar eigenwillige, kraftvolle Sprache. Und so ist die Lektüre von Anfang an ein großer Genuss.

In Ost-Berlin bittet Biermann, der Student der Politischen Ökonomie, 1957 um einen Termin bei Helene Weigel, der großen Schauspielerin, Intendantin des Berliner Ensembles und Brecht-Witwe. Er erklärt ihr, er wolle Regisseur werden, und wird prompt als Regieassistent eingestellt.

„Die Weigel hat gemerkt, dass ich kein Langweiler war. Aber viel wichtiger als das war noch etwas ganz anderes – und das muss ich Ihnen auf Ihre jugendliche Westnase binden: Sie merkte im Gespräch, dass ich von Theater wirklich keine Ahnung hatte. Und das sprach aus ihrer Sicht für mich. Das klingt jetzt wie ein blöder Witz und ist die Wahrheit.“

Hanns Eisler entdeckt Biermanns Talent als Liedermacher


Anfang der 60er entdeckt Hanns Eisler Biermanns Talent als Liedermacher. Aber schon bald verlässt das Glück das „Glückskind“, wie er sich selbst in seiner Autobiografie nennt. Sein frisch gegründetes „Berliner Arbeiter- und Studententheater“ wird verboten. Und nach einem gemeinsamen Auftritt mit dem Kabarettisten Wolfgang Neuss in Frankfurt am Main 1965 veröffentlicht der, ohne zu fragen, den Beginn von Biermanns auf Heine anspielendem „Wintermärchen“:

Einen Vorteil hatte allerdings die Überwachung durch die Stasi, lernt man aus „Warte nicht auf bessre Zeiten!“: Die noch erhaltenen 20.000 Blätter seiner Stasi-Akte dienten Wolf Biermann, neben seinen Tagebüchern, als Gedächtnisstütze beim Schreiben seiner Autobiografie:

„Da besucht mich Allen Ginsberg aus New York, der Dichter der Beat Generation, und mich besucht Joan Baez, die Folklore-Sängerin, die ich so liebe – und alles das steht ja haarklein und genau in meinen Akten. Die Akten der Staatssicherheit sind deutsche Wertarbeit! Und das ist natürlich ein unglaublicher Service. ‚Kostenlos‘ würde ich das nicht nennen. Denn bezahlt haben wir alle mit Ängsten, mit Seelengeld, mit Tränen, mit Wut, mit Verbitterung.“

Als Biermann 1992 seine Stasiakte einsieht, ist es ein Wechselbad der Gefühle. Er erschaudert, als sich ein eigentlich treuer Freund als Inoffizieller Mitarbeiter entpuppt. Er lacht laut auf, als er bemerkt, dass ein ungebildeter Spitzel eine Liedzeile falsch, die Anspielung auf Goethes Sekretär, nicht verstanden hat.

„Die Stasi-Ballade“

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